Fuerteventura - Hamburg

Veröffentlicht auf von SweetChai

Uns begrüßt ein Sandsturm. Der Atlantik hat dabei kalte Ähnlichkeit mit der Nordsee, abgesehen von den großen, schaumigen Wellen und dem feinen Sandstrand, der wöchentlich von der Sahara Wüste aufgefüllt wird. Auch jetzt spürt man die feinen Körnchen auf der Wange, sie sind so leicht, dass der Wind sie die ganze Strecke von Afrika bis hierher gepustet hat. Wer in diesem Sand, der sich nun scheinbar erschöpft am Ufer niederlässt, wohl schon alles gewandert ist? Ich denke an Kamele und Ägypter in weißen Umhängen, die Tagelang Meter für Meter die Hügel auf und ab laufen. Für den Bikini entscheiden wir uns erst am nächsten Tag, vorher geht es die Umgebung zu erkunden. Das Ortsübliche Supermarkt-Zentrum, in dem wir Wasserkanister für’s Zimmer kaufen und die bedruckten T-shirts links liegen lassen. Wir kehren in ein Surfer-Internet-Café ein, essen dort ein paar saftige Tapas. Die Honigmelone scheint allein durch den Meerblick besser zu schmecken. Mit den nackten Füßen laufen wir zurück zum Hotel, immer am Strand entlang. Ich frage mich, ob ich 2012 schonmal meine nackten Füße gesehen habe. Ach ja – in der Dusche. Es ist schmerzhaft kalt, und meine Hoffnung im 16° „warmen“ Meer schwimmen zu gehen verschwinden. Tja, vorher hat man gut reden. Es ist seltsam im März zu verreisen.

Das Abendbuffet ist nicht schlecht. Kritisch beäugen wir jeden Teller und jede Schüssel, kosten von allem und haben den Salat: wir platzen. Wieso ist mir am ersten Urlaubstag immer speiübel? Nicht von der Reise… nicht, weil nun der ganze Stress von mir abfällt… Nein! Ich fresse, bis im Magen kein Luftloch mehr bleibt. Ich hatte nicht einkalkuliert, wie weit unser Zimmer entfernt liegt. Ob ich den Weg schaffe?

Ich erwache im typisch spanischen extraweichen Federbett, verknotet in die Laken, die die Bettdecke darstellen sollten. Ich muss mich kurz orientieren – im Traum ist mein Chef schon wieder gestorben. Es ist Freitag. Ich schaue auf die Uhr: in der Praxis in Altona findet gerade das gemeinsame Frühstück statt. Ob ich kurz anrufen soll? Nein, André lebt sicher noch. Meine Schwester sieht ähnlich verwirrt aus. „Hast du auch so komisch geträumt?“ Sie nickt. Ich nicke auch. Muss das ganze Essen gestern gewesen sein. Obwohl ich lieber feuchte als fettige Träume gehabt hätte, schäle ich mich aus den Tüchern, schlurfe ins Bad (Julie wiederholt indes ihr Balkonritual) und ich strecke mich in dem riesigen hellen Badezimmer in alle Himmelsrichtungen. Ich habe mich kaum angezogen da freue ich mich auch schon wieder auf das Frühstück. Die Urlaubstage können kommen…

Frühstücken, am Strand liegen, Abendessen, im Bett liegen. Ein kurzer und unkomplizierter Tagesablauf. Dann ist Donnerstag. Wir betreiben eine außerplanmäßige Aktivität: Schnuppersurfen. Es gab über meine ersten Versuche auf dem Brett ja schon einiges zu lesen, aber diesmal ist es doch etwas schulmäßiger. Es gibt viel Theorieunterricht und weniger das „anpaddeln“. Wir sollen die Welle direkt nehmen und dann auf das Brett „springen“. Ich bekomme meine Körpermasse ja nicht einmal an Land hoch, wie sollte das dabei auf den Wellen aussehen? Nur so viel: wir sehen lustig aus. Es ist wirklich anstrengend, während des gesamten Tages schlucke ich ordentlich Wasser. Aber auf der Rückfahrt bekomme ich auch wieder Gelegenheit es auszuspucken. Ach, und an meine Kollegen: der spanische Surflehrer wollte doch tatsächlich Physiotherapeut werden! Er ist wahrlich aufgeblüht, als wir darüber sprachen. Mal sehen, was aus ihm wird…

Am nächsten Tag folgen die üblichen jedoch vergleichsweise kleinen Blessuren, Gottseidank hatte ich mir vorher auch eine Wellnessbehandlung gegönnt. Meine erste Thaimassage entpuppte sich als Nicht-Massage, denn die klassische Thailändische Behandlung hat nichts mit Massagegriffen zu tun. Ich fand es sehr nett, dass die Therapeutin mich darauf aufmerksam machte. Ich war neugierig. Mit gekonnten Griffen und analytischem Feingefühl bog sie mich 80 Minuten auseinander, setzte dabei Hände, Ellbogen, Knie und Füße ein um meine Gelenke gegeneinander zu verschieben. Teilweise war es ungewohnt, aber danach fühlte ich mich flüssig und weich. Also sehr zu empfehlen, aber sicher schmerzhaft, wenn man nicht allzu biegsam ist.

Wir verleben die restlichen Tage mit Erholung und sind natürlich traurig, dass alles so schnell vorbei ist. Die Saison beginnt hier für die Leute erst, wir hingegen brechen wieder auf. Ich breche fast in den Bus, da der Fahrer einen neuen Rekord zum Flughafen aufstellen will. Schneller fahren, als das Flugzeug fliegt oder was? Ich stehe schwankend vor dem Check in Schalter. Wenigstens brauchen wir uns jetzt keine Sorgen mehr machen, wir haben alle Sonnenmilch- und Shampooflaschen aufgebraucht, werden also nicht mehr die Gewichtsklasse überschreiten. Pustekuchen. Wir haben zugenommen? „Also ich vielleicht schon, aber wieso denn mein Koffer?“ , scherze ich, aber die Dame versteht kein Deutsch. Und keinen Spaß. 10€ pro Kilo soll es kosten, wir haben plötzlich 6 Kilo Übergewicht. Dabei hab ich nichts gekauft, ein paar Schuhe, Socken und ein Oberteil noch weggeworfen, die kaputt waren. Mir dämmert, dass die Spanier hier an den Wagen drehen um Geld an den Touristen zu verdienen. Nicht mit uns. Ich reihe mich aus, leere meinen Koffer und schmuggel alles, was Gewicht hat unter meine Kleidung. Denn sie wiegt auch unser Handgepäck und nimmt es ganz genau. Unter meiner Jacke, die ich mir über den Arm hänge, hängen noch einige andere Garderobestücke. Aber wir schaffen es durch die Absperrung und die Koffer auf das Fliesband. Bis heute Abend muss ich allerdings die halbe Frühjahrskollektion mit mir herumtragen. Ich suche nach einem der Plastiksitze um mich neu zu arrangieren. Julie ist pampig und schimpft über die bösen Frauen an der Kontrolle. Wir kaufen ihr ein Eis, damit sie wieder lacht. Manchmal ist es ganz einfach mit ihr, obwohl sie eine kleine Diva ist. Bis zur Boarding-time besprechen wir den Unterschied zwischen „Prinzessinnen“ und „Diven“, eingereiht in die Schlange machen wir uns wieder lustig über Deutsche, die es einfach nicht begreifen wollen, dass zuerst die Reihe 1-10 rein können. Mit Platz 35 stehen sie trotzdem in der ersten Reihe und versuchen am Ticketschalter zu verhandeln. Ich liebe den Flughafen! Aber arbeiten möchte ich hier nicht… Die bösen Frauen haben uns leider keine Fensterplätze gegeben, sondern den Gang zwischen uns gesetzt. Mein Sitznachbar hat Lungenprobleme und ich möchte Atemtherapie mit ihm machen. Ich schaffe es dennoch, mich 4 Stunden zusammenzureißen. 72 Mal hat er gehustet. Nagut, ein bisschen freu ich mich auf die Heimat und die Arbeit.

IMG_1209.JPG

Um über die neuesten Artikel informiert zu werden, abonnieren:
Kommentiere diesen Post